Digital Logos Edition
Im Zentrum dieses Textes steht die Beschreibung und Begründung einer spirituellen Praxis, die nicht die Auslöschung des eigenen Ichs zum Ziel hat, sondern vielmehr “den einzelnen frei, stark und mündig” machen und zu christlich verantwortetem Handeln im Alltag befähigen soll. Beigegeben ist dieser kommentierten Neuausgabe “Gemeinsames Leben” die letzte von Bonhoeffer veröffentlichte Arbeit, seine 1940 erschienene Einführung in die Psalmen mit dem Titel “Das Gebetbuch der Bibel”.
Darum braucht der Christ den Christen, der ihm Gottes Wort sagt, er braucht ihn immer wieder, wenn er ungewiß und verzagt wird; denn aus sich selbst kann er sich nicht helfen, ohne sich um die Wahrheit zu betrügen. Er braucht den Bruder als Träger und Verkündiger des göttlichen Heilswortes. Er braucht den Bruder allein um Jesu Christi willen. Der Christus im eigenen Herzen ist schwächer als der Christus im Worte des Bruders; jener ist ungewiß, dieser ist gewiß. Damit ist zugleich das Ziel aller Gemeinschaft der Christen deutlich: sie begegnen einander als Bringer der Heilsbotschaft.
Wer nicht allein sein kann, der hüte sich vor der Gemeinschaft.
Seelische Liebe liebt den Andern um seiner selbst willen, geistliche Liebe liebt den Andern um Christi willen.
Nun gibt es in der Heiligen Schrift ein Buch, das sich von allen anderen Büchern der Bibel dadurch unterscheidet, daß es nur Gebete enthält. Das sind die Psalmen. Es ist zunächst etwas sehr Verwunderliches, daß es in der Bibel ein Gebetbuch gibt. Die Heilige Schrift ist doch Gottes Wort an uns. Gebete aber sind Menschenworte. Wie kommen sie daher in die Bibel?
In der Beichte geschieht der Durchbruch zur Gemeinschaft. Die Sünde will mit dem Menschen allein sein. Sie entzieht ihn der Gemeinschaft. Je einsamer der Mensch wird, desto | zerstörender wird die Macht der Sünde über ihn, und je tiefer wieder die Verstrickung, desto heilloser die Einsamkeit. Sünde will unerkannt bleiben. Sie scheut das Licht.
Besonders beeindruckt hat mich die Unterscheidung zwischen zwischenmenschlicher Gemeinschaft und Gemeinschaft in Christus, wo wir den Bruder oder die Schwester [...] nur durch Jesus Christus haben, aber auch Jesus Christus in segenshafter Weise durch unsere Brüder und Schwestern. Insofern sind die Bücher nicht nur kirchengeschichtlich interessante Quellen sondern ein wertvolles Wort in unser heutiges geistliches Leben hinein.
—Martin Schröder, Logos-Blog