Digital Logos Edition
Der Theologische Kommentar zum Neuen Testament steht in der Tradition klassischer historisch-kritischer Kommentarkultur der neutestamentlichen Wissenschaft. Er nimmt jedoch erstmals die im christlich-jüdischen Gespräch behandelten Themen, den feministisch-theologischen Diskurs sowie sozialgeschichtliche Fragestellungen auf.
Die meisten neutestamentlichen Schriften sind vom Selbstverständnis ihrer Verfasser wie vom Inhalt her jüdische Schriften. In ihnen begegnen im Rahmen innerjüdischer Auseinandersetzungen nicht selten polemische Bezüge auf die nicht an Jesus als Messias glaubende jüdische Mehrheit. Sie bestimmten in der christlichen Rezeption das Judentumsbild durch die Geschichte hindurch mit verhängnisvollen Wirkungen bis in die Gegenwart. Das Ziel des Theologischen Kommentars zum Neuen Testament ist es, eine kritische historische Exegese der neutestamentlichen Schriften zu entwickeln, die deren jüdisches Profil wahrnimmt und interpretatorisch fruchtbar macht und die antijüdische Auslegungsgeschichte aufarbeitet. Er will auf diese Weise einen Beitrag zur kirchlichen und theologischen Diskussion über die Erneuerung des christlichen Verhältnisses zum Judentum leisten.
In der Auslegungsgeschichte des Neuen Testaments finden sich viele Texte, die patriarchale und frauenfeindliche Strukturen legitimieren. Vor allem aber wurde der Gesamttext des Neuen Testaments mit einem Deutungsmuster gelesen, das das Geschlechterverhältnis als Herrschaftsbeziehung interpretiert. Feministisch-theologische und geschlechterbewusste Forschungen haben innovative hermeneutische Zugänge zur Bibel entwickelt, die das befreiende Potenzial neutestamentlicher Traditionen für alle Geschlechter aufzeigen. Dies soll im Theologischen Kommentar zum Neuen Testament in sozialgeschichtlicher Perspektive herausgearbeitet und für die gegenwärtige theologische und kirchliche Debatte über eine geschlechtergerechte Gestaltung von Kirche und Gesellschaft fruchtbar gemacht werden.
Der Band Der Brief des Jakobus ist derzeit nur vorbestellbar und erscheint frühestens Ende 2024.
Das Matthäusevangelium spiegelt die schwierige politische, gesellschaftliche und religiöse Situation im Judentum nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Jahr 70. An der Restitution des Judentums sind auch jüdische Christus-Gläubige beteiligt, darunter die Gemeinschaft, für die dieses Evangelium verfasst ist. Sie gehört zu einer Synagoge, in der pharisäische Schriftgelehrte den Ton angeben. Der Autor des Matthäusevangeliums stimmt mit ihnen in der Tora-Auslegung überein, setzt sich mit ihnen aber wegen ihrer Ablehnung der Christus-Botschaft polemisch auseinander. Der Kommentar arbeitet die jüdische Prägung des Evangeliums heraus, die losgelöst von dieser Polemik der Erneuerung des christlichen Verhältnisses zum Judentum starke Impulse geben kann.
Professor Dr. Peter Fiedler lehrte Katholische Theologie/Schwerpunkt Neues Testament an der Pädagogischen Hochschule Freiburg/Brsg.
Neben den Schwerpunkten der Reihe insgesamt (judisch-christlicher Dialog, feministische Exegese, neutestamentliche Sozialgeschichte) setzt der Kommentar eigene Akzente durch die eingehende Behandlung der Form-, Gattungs- und Redaktionskritik aller Perikopen. Vor der Einzelkommentierung wird ein Uberblick uber die Entstehungsverhaltnisse des Markusevangeliums geboten, wobei Einleitungs- und theologische Fragen zur ganzen Schrift erortert werden. Die Schonheit der Gestalt der Einzeltexte wird ebenso sichtbar wie die Geschlossenheit des gesamten kanonischen Werkes, das Vorbild der anderen Evangelien mit je eigenem Profil und Ausrichtung wurde.
Peter Dschulnigg (* 1943 in Romanshorn, Thurgau, Schweiz; † 2011 in Berlingen TG) war ein römisch-katholischer Schweizer Theologe und Neutestamentler.
Ein Rezensent nannte diesen Kommentar einen "Kommentar zum Lesen". Die Neuausgabe versucht, ihn noch lesbarer zu machen. Dafür wurde er nach zwei Auflagen nicht nur sprachlich überarbeitet, sondern auch gekürzt, sodass er in einem Band erscheinen kann. Das primäre Ziel der Kommentierung gilt selbstverständlich weiter: eine Erneuerung des christlich-jüdischen Verhältnisses, verbunden mit einer unpolemischen, verstehenden und theologisch vertieften Wahrnehmung des jüdischen Volkes. Das ist keine ideologische Verengung, sondern vom Text geboten. Das Johannesevangelium - wie andere neutestamentliche Schriften auch - basiert auf der jüdischen Bibel und ist in einem jüdischen Kontext entstanden. Für das 1. Jahrhundert von "Christentum" zu reden, ist schlicht anachronistisch. Bei der Auslegung der in einem innerjüdischen Streit gemachten polemischen Aussagen bedenkt der Kommentar nicht nur diese Entstehungssituation, sondern auch, dass sich die eigene Situation davon beträchtlich unterscheidet. Das verbietet es einer verantwortlichen Auslegung, in solchem Kontext stehende Aussagen einfach nachzusprechen.
In die Neuausgabe wurde neuere Literatur aufgenommen und dabei vor allem an Stellen, an denen sich gegensätzliche Interpretationswege scheiden, die Diskussion gesucht.
Prof. Dr. Klaus Wengst lehrte Neues Testament und Judentumskunde an der Universität Bochum.
Die Apostelgeschichte ist der zweite Teil des Lukanischen Werkes und will darum mit den gleichen Erwartungen gelesen werden, die schon der Prolog Lk 1,1-4 weckt: Hier schreibt ein gebildetes Mitglied einer zeitgenössischen Bewegung für ein ebenfalls gebildetes interessiertes Publikum. Es geht um die Geschichte Gottes mit Israel, die mit Jesus von Nazareth in eine kritische Phase geraten ist, und um die damit entstandene Jesusbewegung und deren Ausbreitung.
Der Stoff soll die Lesenden ebenso existenziell ansprechen wie die ersten Hörer und Hörerinnen der berichteten Missionsreden. Eine zeitlich und räumlich flächendeckende Geschichtsschreibung liegt nicht vor, aber der Autor will über ein bloßes Hörensagen hinausführen und verlässliche Auskunft geben.
Dr. Klaus Haacker, Prof. i. R. für Neues Testament und seine Umwelt an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel.
In diesem Kommentar wird gezeigt, wie Paulus die Tora für Menschen aus den Völkern auslegt: konkret, lebensnah, sensibel und argumentierend. Er sucht nach Bildern für eine Hoffnung, die dem Tod standhält. Er schreibt die Gebete und Lieder auf, die in den messianischen Gemeinden seiner Zeit gesungen wurden. Und: Er widerspricht sich selbst, vor allem in seiner Vorstellung, wie Frauen zu sein hätten, und in seinem faktischen Umgang mit ihnen. Dass in diesem Brief die berüchtigten frauenfeindlichen Sätze des Paulus zu finden sind, ist heute oft die erste Assoziation. Darüber hinaus ist der Brief durch die lange und ausgeprägte Auslegungstradition belastet, die Paulus zur Rechtfertigung christlicher Herrschaftspositionen benutzt hat: Die Gestalt des Paulus war die Projektionsfläche für christliche Amtsträger und ihre Herrschaft über das Kirchenvolk. Und - noch verhängnisvoller: Paulus war der Inbegriff einer christlichen Identitätsfindung durch negative Abgrenzung zum Judentum als einer "Gesetzesreligion". - Eine Neuentdeckung des Paulus ist fällig.
Prof. Dr. Dr. h. c. Luise Schottroff lehrte Neues Testament an den Universitäten Mainz, Kassel und Berkeley/USA.
Der Galaterbrief soll einen Konflikt bewältigen. Neue Missionare propagieren, man müsse sich beschneiden lassen, um zum Volk Gottes zu zählen. Dem setzt Paulus entgegen: Durch Jesus Christus, Abrahams- und Gottessohn, und seine Hingabe am Kreuz sind die, die zu ihm gehören, Kinder Abrahams und zugleich Kinder Gottes und frei vom Gesetz. Das Evangelium als Freiheit vom biblisch-jüdischen Gesetz hat - oft mit antijüdischen Untertönen - Geschichte gemacht. Doch Paulus vertritt auch im Galaterbrief ein sehr viel weiteres Verständnis der Bibel Israels. Auf dessen Grundlage prägt er ein: Bindung an Jesus Christus heißt Befreiung zu einem neuen Leben. In hermeneutischen Reflexionen und in einem längeren Schlussteil tritt der Kommentar in ein einstimmendes und kritisches Gespräch mit dem paulinischen Evangelium ein.
Peter von der Osten-Sacken war bis zu seiner Emeritierung Professor für Neues Testament und Christlich-Jüdische Studien sowie Leiter des Instituts Kirche und Judentum an der Humboldt-Universität Berlin.
Im Hintergrund des Briefes stehen unterschiedliche Vorstellungen von "Bekehrung": die Konvertiten sind versucht, an einigen religiös-paganen Praktiken, die zu ihrer kulturellen und/oder biographischen Identität gehören, festzuhalten; der Autor des Briefes erwartet jedoch die völlige Übernahme der neuen Religion. Dieser Auseinandersetzung dienen sowohl die hohe Christologie und die präsentische Eschatologie als auch die vielfältigen Ermahnungen.
Dr. Ingrid Maisch war Professorin für Neues Testament an der Katholischen Fachhochschule in Freiburg.
Der kleinste Paulusbrief, entstanden um 55 n. Chr., erlaubt am Beispiel der Herr-Sklave-Relation einen Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit - und wie Theologie in ihr zum Zuge kommt. Im ersten Teil des Kommentars werden das Beziehungsgeflecht zwischen Paulus, dem Sklaven Onesimus und dessen Herrn Philemon und die sich darin zeigenden Interessen dargestellt. Der zweite Teil zeichnet auf diesem Hintergrund die paulinische Argumentation nach. Im dritten Teil wird die Frage nach Theologie und gesellschaftlicher Wirklichkeit aufgenommen und Paulus mit Plinius d.J., Seneca und Epiktet ins Gespräch gebracht. Dabei erweist es sich, dass für Paulus die Gemeinde als Raum erfahrener Freiheit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat.
Prof. Dr. Klaus Wengst lehrt Neues Testament und Judentumskunde an der Universität Bochum.
Der Jakobusbrief ist eine frühe Weisheitsschrift aus dem Jerusalemer judenchristlichen Kontext. Der Brief präsentiert sich formal als eine einfache Aneinanderreihung einzelner für die Lebensgestaltung relevanter Themen. Doch die vorliegende Exegese zeigt, durch welch sorgfältige Argumentationstechniken die verschiedenen Themen entfaltet werden und miteinander verbunden sind. Die Aufarbeitung der frühjüdischen Traditionen bringt die Toraobservanz und den Sinnreichtum dieses Briefes zum Vorschein. Die Beachtung des hellenistischen Kontextes macht den philosophischen Anspruch, der im Gewand des Schriftgelehrten vorgebracht wird, deutlich: Der Glaube an Gott und den Herrn Jesus Christus soll die Gläubigen befähigen, in einer zerrissenen Welt trotz aller Versuchungen weise zu leben, durch das richtige Hören, Reden und Handeln.
Prof. Dr. Peter Wick lehrt Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum.
Der erste Petrusbrief richtet sich an Gemeinden, die in ihrem Herkunftsumfeld Diskriminierungserfahrungen machen, nachdem sie sich zum durch Jesus vermittelten Glauben an den einen Gott hingewandt hatten. Der Brief stellt diese Erfahrungen in neue Deutungshorizonte, indem er sie z. B. als notwendige Konsequenz der Zugehörigkeit zu Gott oder als Aktualisierung der Nachfolge des Gesalbten darstellt. Zugleich fordert er seine Leserschaft dazu auf, ihr "Fremdsein" in der Welt durch "befremdlich anderes" Verhalten zu leben.
PD Dr. Martin Vahrenhorst ist Schulreferent der rheinischen Kirchenkreise im Saarland und lehrt Neues Testament an der Kirchlichen Hochschule Wuppertal / Bethel.
Für ein gegenwärtiges Verständnis der Johannesapokalypse gibt der Text selbst die hermeneutischen Vorgaben: Die Herrschaft Gottes und Christi kommt entgegen allem Augenschein und geschichtlicher Erfahrbarkeit; das Potential des Textes und seiner Bilder liegt gerade in ihrer bisherigen Nichterfüllung. Text und Bilder halten eine Zukunft offen, die nicht von der Herrschaft durch Menschen bestimmt ist; sie werfen Licht aus einer Welt, in der Gottes Wille geschieht, auf diese Welt, in der der Wille Gottes geschehen wird. Die Adressaten der Apokalypse sind bedrängte Christen in Kleinasien um 100 n. Chr., denen die Herrschaft Christi und das Kommen der neuen Welt verkündet wird, in der es "kein Leid noch Geschrei noch Schmerz mehr geben wird".
Hermann Lichtenberger (* 1943 in Neu-Werbaß, Batschka, damals Ungarn) ist ein evangelischer Theologe, der als einer der bekannteren deutschen Neutestamentler gilt und 1993 bis 2014 an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen lehrte.
Die Logienquelle "Q", die den beiden Evangelien nach Matthäus und Lukas als schriftliche Quelle vorlag, ist ein doppeltes Bindeglied: Einerseits ist der Text zwischen Frühjudentum und den Anfängen der Jesusbewegung zu verorten - ein Dokument, das weniger "christliche" Erwartungen, als eschatologische Erlösungshoffnungen jüdischer Jesusjünger thematisiert. Andererseits hat der Text auch eine Brückenfunktion zwischen historischem Jesus und späterem Christentum und eröffnet mit einem Blick auf archaische Formen der Christologie und Ekklesiologie Einblicke in die frühe Jesusbewegung.Neben Fragen der Rekonstruktion des nur indirekt erhaltenen Textes befasst sich dieser Band besonders mit dem Entstehungskontext und der Theologie der Logienquelle und eröffnet so einen Blick in die Zeit, als die NachfolgerInnen Jesu noch Juden waren.
Prof. Dr. Markus Tiwald (1966) lehrt Neues Testament an der Universität Duisburg-Essen.