Digital Logos Edition
Der Theologische Kommentar zum Neuen Testament steht in der Tradition klassischer historisch-kritischer Kommentarkultur der neutestamentlichen Wissenschaft. Er nimmt jedoch erstmals die im christlich-jüdischen Gespräch behandelten Themen, den feministisch-theologischen Diskurs sowie sozialgeschichtliche Fragestellungen auf.
Die meisten neutestamentlichen Schriften sind vom Selbstverständnis ihrer Verfasser wie vom Inhalt her jüdische Schriften. In ihnen begegnen im Rahmen innerjüdischer Auseinandersetzungen nicht selten polemische Bezüge auf die nicht an Jesus als Messias glaubende jüdische Mehrheit. Sie bestimmten in der christlichen Rezeption das Judentumsbild durch die Geschichte hindurch mit verhängnisvollen Wirkungen bis in die Gegenwart. Das Ziel des Theologischen Kommentars zum Neuen Testament ist es, eine kritische historische Exegese der neutestamentlichen Schriften zu entwickeln, die deren jüdisches Profil wahrnimmt und interpretatorisch fruchtbar macht und die antijüdische Auslegungsgeschichte aufarbeitet. Er will auf diese Weise einen Beitrag zur kirchlichen und theologischen Diskussion über die Erneuerung des christlichen Verhältnisses zum Judentum leisten.
In der Auslegungsgeschichte des Neuen Testaments finden sich viele Texte, die patriarchale und frauenfeindliche Strukturen legitimieren. Vor allem aber wurde der Gesamttext des Neuen Testaments mit einem Deutungsmuster gelesen, das das Geschlechterverhältnis als Herrschaftsbeziehung interpretiert. Feministisch-theologische und geschlechterbewusste Forschungen haben innovative hermeneutische Zugänge zur Bibel entwickelt, die das befreiende Potenzial neutestamentlicher Traditionen für alle Geschlechter aufzeigen. Dies soll im Theologischen Kommentar zum Neuen Testament in sozialgeschichtlicher Perspektive herausgearbeitet und für die gegenwärtige theologische und kirchliche Debatte über eine geschlechtergerechte Gestaltung von Kirche und Gesellschaft fruchtbar gemacht werden.
Diese Werke können Sie über diese Sammlung oder teilweise einzeln erwerben.
Das Matthäusevangelium spiegelt die schwierige politische, gesellschaftliche und religiöse Situation im Judentum nach der Zerstörung Jerusalems und des Tempels im Jahr 70. An der Restitution des Judentums sind auch jüdische Christus-Gläubige beteiligt, darunter die Gemeinschaft, für die dieses Evangelium verfasst ist. Sie gehört zu einer Synagoge, in der pharisäische Schriftgelehrte den Ton angeben. Der Autor des Matthäusevangeliums stimmt mit ihnen in der Tora-Auslegung überein, setzt sich mit ihnen aber wegen ihrer Ablehnung der Christus-Botschaft polemisch auseinander. Der Kommentar arbeitet die jüdische Prägung des Evangeliums heraus, die losgelöst von dieser Polemik der Erneuerung des christlichen Verhältnisses zum Judentum starke Impulse geben kann.
Neben den Schwerpunkten der Reihe insgesamt (jüdisch-christlicher Dialog, feministische Exegese, neutestamentliche Sozialgeschichte) setzt der Kommentar eigene Akzente durch die eingehende Behandlung der Form-, Gattungs- und Redaktionskritik aller Perikopen. Vor der Einzelkommentierung wird ein Überblick über die Entstehungsverhältnisse des Markusevangeliums geboten, wobei Einleitungs- und theologische Fragen zur ganzen Schrift erörtert werden. Die Schönheit der Gestalt der Einzeltexte wird ebenso sichtbar wie die Geschlossenheit des gesamten kanonischen Werkes, das Vorbild der anderen Evangelien mit je eigenem Profil und Ausrichtung wurde.
In diesem Kommentar wird gezeigt, wie Paulus die Tora für Menschen aus den Völkern auslegt: konkret, lebensnah, sensibel und argumentierend. Er sucht nach Bildern für eine Hoffnung, die dem Tod standhält. Er schreibt die Gebete und Lieder auf, die in den messianischen Gemeinden seiner Zeit gesungen wurden. Und: Er widerspricht sich selbst, vor allem in seiner Vorstellung, wie Frauen zu sein hätten, und in seinem faktischen Umgang mit ihnen. Dass in diesem Brief die berüchtigten frauenfeindlichen Sätze des Paulus zu finden sind, ist heute oft die erste Assoziation. Darüber hinaus ist der Brief durch die lange und ausgeprägte Auslegungstradition belastet, die Paulus zur Rechtfertigung christlicher Herrschaftspositionen benutzt hat: Die Gestalt des Paulus war die Projektionsfläche für christliche Amtsträger und ihre Herrschaft über das Kirchenvolk. Und - noch verhängnisvoller: Paulus war der Inbegriff einer christlichen Identitätsfindung durch negative Abgrenzung zum Judentum als einer "Gesetzesreligion". - Eine Neuentdeckung des Paulus ist fällig.
Im Hintergrund des Briefes stehen unterschiedliche Vorstellungen von "Bekehrung": die Konvertiten sind versucht, an einigen religiös-paganen Praktiken, die zu ihrer kulturellen und/oder biographischen Identität gehören, festzuhalten; der Autor des Briefes erwartet jedoch die völlige Übernahme der neuen Religion. Dieser Auseinandersetzung dienen sowohl die hohe Christologie und die präsentische Eschatologie als auch die vielfältigen Ermahnungen.
Der kleinste Paulusbrief, entstanden um 55 n. Chr., erlaubt am Beispiel der Herr-Sklave-Relation einen Blick auf die gesellschaftliche Wirklichkeit - und wie Theologie in ihr zum Zuge kommt. Im ersten Teil des Kommentars werden das Beziehungsgeflecht zwischen Paulus, dem Sklaven Onesimus und dessen Herrn Philemon und die sich darin zeigenden Interessen dargestellt. Der zweite Teil zeichnet auf diesem Hintergrund die paulinische Argumentation nach. Im dritten Teil wird die Frage nach Theologie und gesellschaftlicher Wirklichkeit aufgenommen und Paulus mit Plinius d.J., Seneca und Epiktet ins Gespräch gebracht. Dabei erweist es sich, dass für Paulus die Gemeinde als Raum erfahrener Freiheit eine nicht zu unterschätzende Bedeutung hat.
Der erste Petrusbrief richtet sich an Gemeinden, die in ihrem Herkunftsumfeld Diskriminierungserfahrungen machen, nachdem sie sich zum durch Jesus vermittelten Glauben an den einen Gott hingewandt hatten. Der Brief stellt diese Erfahrungen in neue Deutungshorizonte, indem er sie z. B. als notwendige Konsequenz der Zugehörigkeit zu Gott oder als Aktualisierung der Nachfolge des Gesalbten darstellt. Zugleich fordert er seine Leserschaft dazu auf, ihr "Fremdsein" in der Welt durch "befremdlich anderes" Verhalten zu leben.
Für ein gegenwärtiges Verständnis der Johannesapokalypse gibt der Text selbst die hermeneutischen Vorgaben: Die Herrschaft Gottes und Christi kommt entgegen allem Augenschein und geschichtlicher Erfahrbarkeit; das Potential des Textes und seiner Bilder liegt gerade in ihrer bisherigen Nichterfüllung. Text und Bilder halten eine Zukunft offen, die nicht von der Herrschaft durch Menschen bestimmt ist; sie werfen Licht aus einer Welt, in der Gottes Wille geschieht, auf diese Welt, in der der Wille Gottes geschehen wird. Die Adressaten der Apokalypse sind bedrängte Christen in Kleinasien um 100 n. Chr., denen die Herrschaft Christi und das Kommen der neuen Welt verkündet wird, in der es "kein Leid noch Geschrei noch Schmerz mehr geben wird".